Dienstag, 7. Juni 2011

Rezension: Das Mitternachtskleid - Terry Pratchett

Terry Prachett - Das Mitternachtskleid
Format: broschier, 416 Seiten
Verlag: Manhattan
Sprache: Deutsch
ISBN-13: 978-3442546381

Klappentext:
Tiffany Weh, vielversprechende Junghexe im Teenageralter, hat es nicht leicht. Denn die alltägliche Hexerei erweist sich als ziemlich anstrengend, und ganz bestimmt ist es nicht damit getan, den lieben langen Tag fröhlich auf einem Besen herumzusausen. Dennoch gibt Tiffany ihr Bestes – bis etwas uraltes Böses aus einem tiefen Schlaf erwacht und mit ihm allerlei alte Schauergeschichten über böse Hexen. Bald kann man sich kaum noch mit einem spitzen Hut auf die Straße wagen. Und als wäre das nicht schon genug Ärger, fängt dieses uralte böse Wesen bald an, gezielt Jagd auf eine ganz spezielle vielversprechende Junghexe zu machen …


Tiffany Weh, ihres Zeichens mitlerweile eine vollwertige Hexe, ist zurück in ihrer Heimat, dem Kreideland. Nach dem Abenteuer mit der Elfenkönigin, dem Kampf gegen den Schwärmer und nach dem sie dem Winterschmied einen Kuss gab, ist dies nun der vierte Band, und er entlässt Tiffany in die Welt der Erwachsenen und mit ihr ihre Leser.

Der erste Sätze:
Was fanden die Menschen bloß an Lärm so toll? Tiffany Weh verstand es nicht. Wieso war Lärm so wichtig?


Inhalt:
Hexen sind anders als andere Menschen, sie haben den ersten Blick und die zweiten Gedanken und sie tragen spitze Hüte... und selbst Hexen die noch nicht ganz 16 Jahre alt sind, sind innen drin schon reifer und älter. So ist Tiffany jetzt zwar wieder daheim zusammen mit ihren Freunden und Beschützern, den Wir-Sind-Die Größten, aber natürlich ist nicht alles wie früher. Denn jetzt ist sie die Hexe des Kreidelandes und muss sich um all ihre Schäflein sorgen. Während diese sich um ihre Schafe kümmern, versorgt Tiffany die besonders Kleinen und die besonders Alten... und nicht nur allein das. Das Kreideland ist es nicht gewöhnt eine Hexe zu haben und um so anfälliger ist man hier für Aberglauben. Und vom Aberglauben profitiert vor allem die Heimtücke, denn sie schleicht sich in die Herzen der Neidischen und Bitteren... und Tiffany weiß selbst gut genug, wie schnell daraus eine Katzenmusik entsteht und dann brennt die Hexe, oder die arme alte Frau die man für eine Hexe hält.

Hintergründe:
Terry Pratchett ist ein weiser Mann. Da ist etwas, das all seine Bücher durchzieht, unter den oft witzigen Begebenheiten hindurchschlüpft und sich heimlich im Kopf festsetzt. Man geht oft klüger , oder zumindest nachdenklicher aus einem seiner Bücher heraus, und in den Tiffany Weh Büchern ist es ganz besonders so. So auch in diesem... in den Sätzen verborgen ist soviel Wissen über die Menschen und soviel Alltagsklugheit, das man nur daraus lernen kann und dies mag Kindern und Jugendlichen ebenso gehen wie den Erwachsenen. Die Themen in diesem Buch sind zum Teil sehr hart und selten wird ein Blatt vor den Mund genommen, aber in sich ist alles sehr stimmig und wenn man es wie bei Harry Potter angeht und die Kinder langsam mit Tiffany Weh aufwachsen lässt, dann sollte das keine Probleme machen. Es ist kein Kinderbuch mehr, sondern eines für Teenager. Tiffanys Alter gibt da den Anhaltspunkt...
Welches Thema Prachett in diesem Buch auch aufgreift, er verliert nie die Wärme, die er für Menschen empfindet und deren Fehlern, die er hier sehr stark thematisiert. Da geht es um Lynchjustiz und religiösen Fanatismus, Kindesmisshandlung... um Sex und seine Folgen und um Verantwortung, die jeder Mensch für sein Leben und seine Mitmenschen trägt. Auch Tiffany ist nicht perfekt, aber sie lernt...
Pratchett greift in diesem Band hinaus in die Scheibenwelt. Tiffany reist nach Ankh-Morpork und trifft dort Fäulein Schmied, die Boffo-Hexe, Frau Prust und einige Mitglieder der Stadtwache. Das alles ist mit der Geschichte verbunden, aber es wirkt auch wie ein Fenster, in dem die jugendlichen Leser einen Ausblick auf den Rest der Scheibenwelt bekommen. Auch wenn es mir, als alten Scheibenwelthasen, meist schon genügt, wenn hier und da ein Name oder eine Begebenheit erwähnt wird (und ich mich dann freue, wie ein Schneekönig).
Ankh-Morpork, du herrliche Stadt, 
die oben Trolle und unten Zwerge hat!
Wer dein Wasser nicht trinkt, wird auch nicht krank.
Ankh-Morpork du Perle am Ankh.
So wirkt es diesmal wirklich so, als würde er die kindlichen Leser seiner Scheibenwelt Märchen an die Hand nehmen und mit dem Ausblick auf die Welt, hinter der Welt Tiffanys, entlassen. Es macht Lust seinen Blick in die große Stadt oder nach Lancre zu richten, wo Oma Wetterwachs und Nanny Ogg König Verence Feuer unterm Hintern machen. Ich kann nur annehmen, das Pratchett glaubt, die Kinder wären jetzt alt genug dazu diese Welt zu entdecken.
 
Bewertung:
Als erwachsener Leser, habe ich lange mit Tiffany gehadert. Ich mochte die Kleinen Freien Männer, aber im ersten Buch waren mir die vielen Märchen doch ein wenig zuviel. Das besserte sich mit jedem Band und hat mit „Das Mitternachtskleid“ seinen krönenden Abschluss gefunden (schon der Winterschmied hat mir sehr gut gefallen). Dieses Buch ist in seiner Stimmung nicht ganz so dicht und teilweise wirkte die Sprache auf mich etwas hektisch, was an der neuen Übersetzerin, oder aber auch einfach am Buch selbst liegen mag. Man verpasst etwas, wenn man nicht genau aufpasst. Doch all das, ebenso wenig wie die Verhunzung des eigentlich so wundervollen Titels: „I Shall Wear Midnight“ bewegt mich nicht dazu auch nur ein halbes Sternchen abzuziehen. Ich empfinde es als große Kunst, soviel Lebensweisheit und Humanismus in ein einzelnes Buch zu packen und ihm dazu auch noch eine Schale zu verpassen, die sich gut liest und viel, viel Spaß macht. Ohne erhobenen Zeigefinger, ohne ein dämliches: „und die Moral von der Geschicht'...“. Jeder darf hier mitnehmen, was ihm selbst behagt oder zur Zeit beschäftigt... und ich wette, man findet beim zweiten Lesen, und mit den zweiten Gedanken, wieder neue Dinge.

Fazit:
Ein wunderbar weises Buch, für kleine und große Leute, die etwas für festes Schuhwerk und zupackende Hände übrig haben, und sich nicht daran stören, wenn kleine Männer den Kilt heben und sich betrinken.

Ich vergebe volle ✦✦✦✦✦ 
 

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