Sonntag, 15. Mai 2011

Rezension: Der scharlachrote Buchstabe - Nathaniel Hawthorne

© dtv

Der scharlachrote Buchstabe.
Autor: Nathaniel Hawthorne
Übersetzung: Franz Blei u.a.
Format: Taschenbuch, 348 Seiten
Verlag: dtv
Sprache: Deutsch
ISBN-13: 978-3423132121
Klappentext:
Die junge Esther Prynne wird Mutter. Doch das Kind ist nicht von ihrem Gatten. Zur Strafe muss sie das Zeichen der Ehebrecherin tragen. Die Frage nach Schuld und Moral steht im Zentrum dieses amerikanischen Klassikers der Weltliteratur.

Mit „Der scharlachrote Buchstabe“ schrieb Nathaniel Hawthorn, eine der bis heute wohl berühmtesten Dreiecksgeschichten der Literatur. Im Rahmen eines historischen Romans wirft Hawthorne einen Blick in die Psyche der betroffenen Personen und das Werte und Moralsystem jener Zeit. 

Der erste Satz:
Eine gedrängte Menge von bärtigen Männern, in dunkelfarbigen Kleidern und grauen, hohen, spitz zulaufenden Hüten, wie von mit Kapuzen bedeckten oder barhäuptigen Frauen hatte sich vor einem Holzhause versammelt, dessen Tür aus schweren, starken Eisenbohlen mit eisernen Stacheln besetzt war.

Handlung:
Esther Prynne gebiert ein Kind, das unzweifelhaft nicht von ihrem Mann ist, denn dieser ist noch gar nicht in Bosten angekommen, reiste sie ihm doch voraus aus England in die „neue Welt“. Aufgrund dieses Vergehens landet sie im Gefängnis und schließlich zu ihrem Urteilsspruch am Pranger. Sie muss fortan den roten Letter A auf ihrer Brust tragen, als Zeichen ihrer Schande, damit jeder sieht, das sie eine unmoralische Person ist, die sich vor Gott und den Gesetzen versündigt hat.
Während sie noch am Pranger steht erscheint ein Fremder in der Stadt. Es ist ihr Ehemann. Auch diesem gegenüber verrät sie nicht wer der Vater des Kindes ist, doch er nötigt ihr ein Versprechen ab. Niemand im Ort soll erfahren wer er wirklich ist, und unter dem Namen Roger Chillingworth, wird er als Mediziner sesshaft in Bosten und sucht nun seinerseits nach dem Ehebrecher und Vater des Kindes.
Darüber vergehen Jahre während derer Esther sich einen Stand in der Stadt erarbeitet, trotz des Schandmales das sie trägt, nimmt sie ihre Strafe an und wagt es in die Zukunft zu blicken. Während die beiden Männer, Roger Chillingworth und sein Rivale Athur Dimmsdale, der Pfarrer aus Hesters Gemeinde, sich immer tiefer in einen Strudel aus Schuldgefühlen und Rachedurst verirren... 

Hintergründe:
Die Epoche der Geschichte ist vor allem durch das puritanische Weltbild geprägt, dem sich das Bosten dieser Zeit verschrieben hat. Die Geschichte spielt also in einem theokratischen System vor der Zeit der Aufklärung, deren Personen als Sektierer aus der Alten Welt vertrieben wurden und sich in der „neuen Welt“ ansiedelten um ihrem Gott näher zu sein.

Ein Vorfahr Hawthornes war John Hathorne, der in dem berühmt-berüchtigten Prozess von Salem einer der Richter war und Frauen als Hexen verurteilte. Es tritt deutlich zu Tage, das Nathaniel Hawthorne diese Prozesse nicht gut hieß. Im „scharlachroten Buchstaben“ benennt er deutlich die Begrenztheit der damaligen Wertevorstellungen und dem grassierenden Aberglauben, der unlösbar verquickt ist mit der tiefen Religiosität der puritanischen Auswanderer. Hawthorne spricht sich nicht konkret als Gegner der Religion aus, aber dem Aberglauben tritt er sehr kritisch entgegen.

Hawthornes Sprache ist sehr komplex und stilistisch kein kein leichtes Unterfangen. Ich dachte erst es läge vielleicht an einer etwas altertümlichen Übersetzung durch Franz Blei, aber ein Blick in das Original belehrte mich eines besseren. Hawthorne liebt lange, reichlich verschachtelte Sätze mit vielen Bilder und Methaphern. So bleibt Blei nur zur Last zu legen, das er die sprechenden Namen Esthers und Perles zwar ins Deutsche überträgt, dies aber bei den Männern unterlässt.

Dem Roman voran geht ein langes, fast fünfzig Seiten umfassendes,Vorwort des Autors, in dem er behauptet durch die Arbeit als Zollbeamter in Salem auf die Spur der Geschichte Esthers gesetzt worden zu sein. Dieses Vorwort an sich ist eigentlich schon eine eigene Geschichte und löste große Proteste zur Zeit der Erstveröffentlichung aus, zeichnet Hawthorne doch sehr kritische Bilder vom Beruf des Zöllners und den Offiziellen jener Stadt.

Zur Ausgabe des Deutschen Taschenbuch Verlages:
Die Ausstattung des Bandes ist reichhaltig. Neben einem ausführlicheren Klappentext im Innenteil enthält es Hawthornes erstes und zweites Vorwort, sowie ein 15seitiges Essay von Binnie Kirshenbaum, Professorin an der Universität von Columbia und selber Autorin. Zudem kommt noch ein umfangreichen Anhang, der zum tieferen Verständnis des Romans dient.

Charaktere und ihre Bedeutung:
Die zentralste Person ist wohl Esther Prynne, die sich gerade Aufgrund der Offenbarung ihrer Schande zu einer starken und im Leben fest verankerten Person entwickelt. Sie gibt ihre heimliche Liebe nie auf, sie verrät mit keinem Ton den Mann, der ebenso wie sie die Schuld trägt. Sie als alleinstehende Frau und mit dem Makel der Ehebrecherin behaftet, wird eine gut verdienende Frau in ihrem Beruf und eine Wohltäterin für die Armen. Legt man hier das calvinistische Prinzip zu Grunde, so ist sie eine recht-gläubige und gute Person.
Ganz im Gegensatz zu den Männern.

Athur Dimmsdale ist feige und angepasst. Er wagt es nicht, sich zu bekennen, verleugnet lieber die Frau und das Kind um seinen Beruf nicht zu verlieren. Stattdessen kasteit er sich selbst, heimlich natürlich, und lässt zu, das etwas, das aus Liebe geschah, Schande ist und Schande bleibt. Er wagt sich erst aus seinem Wandschrank als es für ihn längst zu spät ist...

Der aufgeklärtere Renaissance-Mensch Roger Chillingworth hingegen versucht sich an der Rache, aber es will ihm nicht recht gelingen. So zeigt er sich zu beginn des Romans nicht als der „Teufel“ den man vermutet, in dem er weder Esther noch der Tochter Perle etwas antut und beweist auch später seine etwas „aufgeklärtere“ Sicht, in dem er dem Kind keine Schuld aufbürdet.

Perle, das uneheliche Kind, das durch seine Mutter zu einem weiteren Symbol der „Schuld“ stilisiert wird, ist für mich der liebenswerteste Charakter der Geschichte. Sie zeigt sich in all ihrer Unschuld und mit kindlicher Weisheit. Ausgestoßen durch die Schande ihrer Geburt benutzt sie Hawthorne immer wieder als eine treibende Kraft um die Geschichte voran zu bringen. So dient ihre Person dazu den furchtbaren Aberglauben der Zeit zu offenbaren. Denn jeder, selbst die Mutter, interpretiert ihr Verhalten als elfisch, seltsam... Dabei erschien es mir im Gesamten so, als wäre Perle eigentlich genau das was sie ist, ein Kind. Sie spielt, sie wehrt sich gegen die Anfeindungen und bemerkt das seltsame Verhalten des Pfarrers, ohne zu wissen, warum dies so ist. Allerdings befrachtet Hawthorne das arme Kind mit manch seltsamer Fracht.


Bewertung:
Ich habe mir dieses Buch zugelegt, weil ich amerikanische Geschichte interessant finde und mich auch Gesellschaftsstrukturen und Religion interessieren. Da bot sich dieser Roman an, und wenn er etwas bietet dann sicherlich einen Einblick in die Bigotterie theokratischer Systeme.

Aber, der Roman war für mich kein einfaches Lesevergnügen, was ich vor allem dem Stil des Autors anlasten muss. So verschachtelt und mit Bildern versehen, wie der Text ist, musste ich Sätze sehr oft mehrmals lesen, was den Lesefluss hemmt und mich sehr gestört hat. Zudem wiederholen sich die Motive ein ums andere Mal und die Geschichte wirkt dadurch aufgebläht und der auktoriale Erzähler verliert sich in den blumigsten und übertriebensten Beschreibungen. Das alles ist Ballast, der es mir selbst unmöglich machte, die wirkliche Position des Autors zu erkennen.

Ein kleines Beispiel: 
Bei jedem andern Volke oder zu jeder spätern Periode der Geschichte von Neuengland würde die düstere Starrheit, welche die bärtigen Physiognomien dieser guten Leute versteinerte, verkündet haben, daß irgend etwas Entsetzliches bevorstehe: hätte nichts Geringeres als die erwartete Hinrichtung eines bekannten Verbrechers bezeichnen können, bei dem der Spruch eines Tribunals nur den der öffentlichen Meinung bestätigt hätte.
(Der scharlachrote Buchstabe: Seite 58-59)

Hinzu kommt das Vorwort, das zwar ein paar interessante Passagen enthält, für mich aber zum größten Teil unverständlich und nur durch den Anhang etwas zu entschlüsseln war. Der ganze Text birgt zwar viele schöne Bilder und hat sicherlich seinen aufklärerischen Wert aber das Lesen selbst kam mehr einem Dechiffrieren gleich als dem Lesen, was dem Ganzen sehr das Vergnügen nahm. Da ich eine der Verfilmungen bereits zuvor gesehen habe, entsprach dies überhaupt nicht meinen Erwartungen.
Zwischendurch wollte ich wirklich aufgeben oder nach einer gesäuberten Übersetzung suchen... ja, ich habe sogar während des Lesens die Schachtelsätze selbst auseinander genommen und in einfachere Strukturen gesetzt. Das ist mir wirklich noch nicht oft passiert.

Zu seiner Zeit mag „der scharlachrote Buchstabe“ verständlicher gewesen sein, aber für mich bleibt von der Lektüre nur ein bitterer Geschmack übrig. Es war anstrengend und harte Arbeit, ohne dadurch einen eigenen Wert zu haben, denn wirklich gelernt habe ich wenig. Verspürte ich nur einen Hauch von Müdigkeit konnte ich dem Text überhaupt nicht mehr folgen. Das macht das recht dünn wirkten Buch zu einem echten, schwer verdaulichen Brocken, der mir noch eine Weile schwer im Magen liegen wird, zudem sind die Charaktere in meinen Augen zu viel Klischee und zu-wenig echt. Esther ist zu gut um war zu sein... die Männer sind gruselig ich-bezogen und das alles ist trieft vor Pathos.

Etwas versöhnlicher Stimmte mich dass anschließende Essay von Binnie Kirshenbaum, es half mir auch dabei überhaupt eine Rezension zu dem Buch verfassen zu können, weil es Motive des Romans bloßlegte, die mir Aufgrund der Sprache, zwar auf der Zunge lagen, aber nicht in Worte zu fassen schienen.

Fazit:
Viel heiße Luft und eine extrem verkomplizierte Sprache, die diesem Werk und seinem Ansinnen in meinen Augen nicht gut tun. Es fällt schwer sich mit dem eigentlichen Gehalt des Buches zu befassen wenn man fast 80% der Lesezeit nur Bahnhof versteht...

Daher bekommt dieses Buch nur ✦✦✧✧✧




 



Buch Gossip:

Wie und wann kam das Buch zu mir?

Das Buch habe ich mir schon vor 2006 zugelegt. Ich erinnere mich noch es damals bereits angelesen es dann aber erstmal beiseite gelegt zu haben.


Bücher führen zu Büchern?
Nein, es kommt kein Buch oder Autor in diesem Buch vor und auch von Hawthorne selbst habe ich erstmal die Nase voll.

Habe ich etwas neues aus dem Buch gelernt?
Schwurbeliger Stil macht es nicht leicht einen Klassiker auch als solchen zu würdigen.

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