Mittwoch, 30. Januar 2013

Kurt Tucholsky und die Manns

Gestern noch habe ich über die beiden ältesten Mann-Kinder Klaus und Erika geschrieben und heute nun habe ich etwas anderes über die beiden gefunden. Familie Mann oder die Kardashians? Prominenten-Allüren und Familiendebakel gibt es nicht erst seit gestern, auch damals in den 20er Jahren machten diese Promis und das Hü- und Hott schon so manchen Menschen scheinbar müde... unter anderem wohl auch den guten alten Kaspar Hauser.

Kaspar Hauser: Die lieben Kinder

(Die Weltbühne, 19.02.1929, Nr. 8, S. 304.)



»Moi, je suis le fils à papa!
le fils à papa!
le fils à papa!«

Wie wir hören, hat sich Benvenuto Hauptmann mit Klaus Mann verlobt. Die Hochzeit wird, wie üblich, auf Hiddensee stattfinden.

Pamela Wedekind, Erika Mann und Mops Sternheim treten am nächsten Dienstag in einer ›Revue zu vieren‹ auf. Die Herren Eltern sind aus Österreich, München und Rührung nach Berlin geeilt.

Wie wir hören, hat Klaus Mann einen Roman in zwei Bänden sowie einen Reiseaphorismus begonnen. Die Veröffentlichung des Romans ist Ende des Jahres zu befürchten.

Erika Mann ist in Berlin zu ihrer Heirat, Scheidung, Wiederverheiratung und Beerdigung eingetroffen. Die junge Künstlerin wird in dem interessanten Experiment des Herrn Hilpert den Falstaff spielen.

Wie wir hören, haben sich Klaus Wedekind, Pamela Mann und Benvenuto Sternheim zusammengetan, um den ›Siebzigsten Geburtstag‹ von Voß zu bearbeiten und ihn, gegebenenfalls, in Hiddensee vorzutanzen.

Benvenuto Hauptmann hat sich von Klaus Mann wieder scheiden lassen, weil ihm die normalen Neigungen seiner Frau Braut vor der Heirat nicht bekannt gewesen sind.

Carlhans Sternheim sowie das Geschwisterpaar Klaus Mann und Pamela Wedekind haben mit ihrer Schwippschwägerin Erika Mann eine Reise um die Welt angetreten, um von Rabindranath Tagore endgültig ihre verwickelten Familienverhältnisse ordnen zu lassen.

General Nobile hat sich auf der Terrasse eines Cafés in Rom, als eine Portion Eis vorübergetragen wurde, erkältet. Wie wir hören, sind Pamela Wedekind, Klausa Mann und Benvenuto Hauptmann an sein Totenbett geeilt.

Nachtrag zu unsrer Meldung: Auch Erika Mann ist an das Totenbett geeilt, General Nobile befindet sich auf dem Wege der Besserung; Pamela Wedekind auf dem Wege zum nächsten Telegrafenamt.

Klaus Mann hat sich bei Verabfassung seiner hundertsten Reklamenotiz den rechten Arm verstaucht und ist daher für die nächsten Wochen am Reden verhindert.

Die lieben Kinder haben Siegfried Wagner zu ihrem Ehrenvorsitzenden gewählt. Der Gefeierte hob in seinem Dankwort hervor, dass die Tragik im Leben August von Goethes in ihm selbst lag sowie in der Unvollkommenheit des damaligen Zustandes der deutschen Presse.



Gustaf, Erika, Pamela und Klaus

Also wirklich, Tucho. Die beiden haben es so nett mit dir gemeint in ihrem Buch "Escape to Life", aber irgenwie hat er auch recht. Dringen wir mal ein wenig tiefer in die Materie? Auf geht's:

Erst war Klaus Mann mit Pamela Wedekind verlobt, und die Erika heiratete den Gustaf Gründgens...  und zu vieren traten sie 1925 in dem von Klaus geschriebenen Theaterstück "Anja und Ester" auf, in dem die beiden Damen sich ziemlich nahe kamen. So nah zumindest, dass das Stück zu einem Skandal seiner Zeit wurde.

Da lief die Gerüchteküche natürlich heiß und das ganze geschah im ausverkauften Theatern, und im gleichen Jahr noch veröffentlichte Klaus Mann "Der fromme Tanz", einen der ersten sogenannten homosexuellen Romane... und dann guck ich auf das Foto und dann seh' ich wie der Klaus da auf den Gustaf guckt... und...

Erika, Klaus, Pamela und Gustaf

Nun ja, aus der Verlobung zwischen Klaus und Pamela wurde nichts, sie trennten sich 1928 und auch die Erika und der Gustaf wurden nicht glücklich. Übrig blieben nur die Scheidungspapiere und in der Nachfolge ein ziemlich böser Roman von Klaus, "Mephisto" getauft, in dem ein gewisser Henrik Höfgen nicht sehr gut wegkommt.


Von all dem konnte Tucholsky hier noch nichts wissen, aber geahnt hat er es wohl und dem ganzen Pressegerummel um die Thomas Mann Nachkommen und ihre Anhängsel ein denkwürdiges Textchen mit auf den Weg gegeben.

Ja ja, die wilden 20er, alles nicht so brav wie es ausschaut, aber vielleicht zwischen den gesellschaftlichen Normen der damaligen Zeit, dem Leben als Künstler, denn alle vier doch eigene Karrieren vorzuweisen,  immer noch besser als die Jenny Elvers, Boris Beckers und  Kim Kardashians der heutigen Welt.


Eure Gecko


Keine Kommentare: