Mittwoch, 29. Juni 2011

Kurt Tucholsky - Prostest gegen die Todesstrafe

Kurt Tucholsky – An den Botschafter
(erstmals veröffentlicht in der Weltbühne am 16.04.1927)

Wie in politischen Kreisen bekannt ist, hat der oberste Gerichtshof in Boston in den Vereinigten Staaten die Wiederaufnahme des Verfahrens gegen die Arbeiter Sacco und Vanzetti abgelehnt, so dass formal einer Vollstreckung des Todesurteils nichts mehr im Wege steht. Als Herausgeber einer Wochenschrift, die seit langen Jahren für die Gerechtigkeit und die Freiheit eingetreten ist, erlaube ich mir, Euer Exzellenz den Protest eines großen deutschen Kreises von Intellektuellen und Angehörigen der arbeitenden Klasse gegen die geplante Hinrichtung dieser beiden Männer zu übermitteln.[Weiter]

Wenn ich die Namen Sacco und Vanzetti höre, dann fällt mir als erstes das Lied von Enrico Moricone und Joan Beaz: „Here's to you“ ein, welches erstmals für einen Film über die beiden aufgenommen wurde. Das es sich dabei um ein Protestlied handelt war mir lange nicht bewusst. Aber man wird älter und klüger.
Anarchisten waren die beiden Herren, Nicola Sacco und Bart Vanzetti, hingerichtet wegen Raubmordes, trotz weltweiter Proteste und einem Prozess der mehr Fragen aufwarf als beantwortete und der deutlich durchscheinen ließ, dass sie sterben sollten weil sie seltsame politische Ansichten hatten. Hier noch mal das Lied, mit ein paar Bildern aus der Zeit:


(gefunden bei You-Tube, bereitgestellt von Accabadora)

Tucholsky schrieb seinen Brief an den Botschafter der USA kurz nach der Urteilsverkündung... und ein paar Monate später, als aller Protest nichts mehr nützte und das Urteil  am  23. August 1927 vollstreckt war dichtete er als Theobald Tiger:

7,7


Sieben Jahre und sieben Minuten
mußten zwei Arbeiterherzen bluten.

Sieben Jahre?
Zellenenge,
Nächte – Luft! – Visionengedränge.
Zehnmal in die Todeskammer –
zehnmal den allerletzten Jammer –
zehnmal: jetzt ist alles aus.
Zehnmal: Grüßt uns die zu Haus!
Zehnmal: vor der eignen Bahre.
Zum Tode verurteilt sieben Jahre.

Sieben Minuten:
Das Blut gerinnt.
Wißt ihr, wie lang sieben Minuten sind –?
Sieben Minuten Krampf und Qual,
Muskeln zucken noch ein Mal –
Blut kocht in Venen – Hebelgekreisch –
es riecht nach angesengtem Fleisch –
irr drehn sich Pupillen – das Ding sitzt gebunden
420 lange Sekunden . . .
Strom weg. Tot? Hallelujah!
Bravo! Bravo, U.S.A. –!

Sieben Jahre und sieben Minuten
mußten zwei Arbeiterherzen bluten.
Sieben Minuten und sieben Jahre –

Diesen Schwur an ihrer Bahre:

Alle für zwei. Ihr starbt nicht allein.
Es soll ihnen nichts vergessen sein.

(Die Weltbühne, 30.08.1927)

Heute geht man davon aus, das Sacco und Vanzetti wirklich unschuldig auf dem elektrischen Stuhl landeten. 1977 rehabilitierte der damalige Senator von Massachusetts die beiden. Aber was ist eine posthume Rehabilitation schon wert?

Egal was man über die anarchistische Bewegung und die Okkupation der beiden Männer durch die weltweite Arbeiter- und spätere Studenten- und Friedensbewegungen auch denken mag, ich finde das es hier vor allem um die Todesstrafe zu gehen hat. 
Sacco und Vanzetti sind ein bekanntes und eindrucksvolles Beispiel dafür, das an dieser Art des legalisierten und vom Staat verordneten Mord nichts gutes dran ist. Wann können sich Richter und Geschworene schon sicher sein, wirklich alle Fakten zu kennen? Ob durch den elektrischen Stuhl, wie durch Tucholskys Worte eindrucksvoll vor Augen geführt oder durch Gaskammer oder Giftspritze, ein erzwungener Tod ist niemals human!
Denn egal welcher politischen Richtung, welchen Glaubens oder welcher Weltanschauung man anhängt, da die Todesstrafe noch nie irgendjemanden vorm Morden abgehalten hat, schaffen wir es ja vielleicht in diesem Jahrhundert endlich davon Abstand zu nehmen.

Grüße,

Dienstag, 28. Juni 2011

Rezension: Der König der Narren - Tanja Kinkel

Reihe: „Die Legenden von Phantasien“
Autor: Tanja Kinkel
Format: Taschenbuch, 367 Seiten
Verlag: Knaur
Sprache: Deutsch
ISBN-13: 978-3426629956

Klappentext:
„Ich würde nicht auf einen Retter warten“, erwiderte Res energisch, „ich würde uns selbst retten.“
Die Weberinnen von Siridom besitzen eine besondere Gabe: Ihre wunderbaren Teppiche erzählen Geschichten, an die sich kaum noch jemand erinnern kann. Zu den Weberinnen zu gehören, gilt als Ehre; nur selten widersetzt sich eine Frau ihrer Bestimmung.
Die junge Res ist so eine Rebellin. Sie ist nicht bereit sich den Traditionen zu beugen – und stößt auf ein Geheimnis, dass ihre Welt vor dem drohenden Untergang bewahren kann...


Dies ist der zweite Roman aus den „Legenden von Phantasien“ den ich gelesen habe. Es ist die Geschichte eines Mädchens, seiner Träume und Hoffnungen und dem Kampf mit den engen Traditionen ihrer Heimat.

Erste Sätze:
Die Luft war noch feucht und lag schwer auf der Ebene von Kenfra, als Res aus dem Haus schlüfte. Sie fröstelte in dem milchigen, wabernden Nebel, durch den erst wenige Sonnenstrahlen tanzten, aber wenn sie länger wartete, würde ihre Mutter sie heute nicht mehr fortlassen, und es kam ihr vor, als wäre sie die ganzen letzten Tage eingesperrt gewesen.

Inhalt:
Res ist jung und wild und gar nicht so wie eine Weberin sein sollte. Sie träumt von den weiten Phantasiens und davon mit eigenen Augen zu sehen, wovon die Teppiche in der Zunft ihrer Mutter erzählen... und als das Nichts seine an den Rand der Ebene von Kenfras dringt und ihre Heimatstadt Siridom bedroht, sieht sie ihre einzige Chance gekommen, den engen Sitten zu entkommen. Sie macht sich auf ihre Heimat zu retten und ein Mittel gegen das Nichts zu finden...

Hintergründe:
Tanja Kinkel, die man eigentlich als Autorin historischer Romane kennt, hat sich hier auf neues Terrain gewagt. „Der König der Narren“ ist von seinem Thema her eindeutiger ein Jugendroman und da wir es mit einer phantasischen Hauptcharakter handelt, auch eine reine Fantasygeschichte.
Allerdings fand ich es sehr angenehm, das sich Frau Kinkel nicht, wie ich es bei Ralf Isau fand, einer mühsam auf kindlich getrimmten Sprache bedient. Nein, das was Res erlebt ist kein Abenteuer für kleine Kinder, sondern etwas für Jugendliche und junge Erwachsene.
Dabei hat sie sich kein einfaches Thema herausgesucht, denn der Roman spielt parallel zu der eigentlichen „unendlichen Geschichte“. Daran liegt dann auch ein Kritikpunkt... denn wir kennen den Schluss der unendlichen Geschichte und die Regeln, denen Phantasien unterliegt und so läuft leider alles auf ein etwas unbefriedigendes Ende hinaus. Trotzdem ist die Geschichte um Res, die ihr zugelaufene Katze und den „Sühneträger“ kurzweilig, amüsant und auch nicht ohne einiges was man fürs Leben daraus lernen kann.

Bewertung:
Ich habe kein ungespaltenes Verhältnis zu Frau Kinkel. Sie hat ein paar Romane geschrieben, die mir sehr gefielen, aber eigentlich mehr, die bei mir durchfielen. So wusste ich nicht genau, ob dieses Buch nun eines wird, das ich, wie schon andere, nach einiger Zeit wütend oder gelangweilt in die Ecke werfe.
Dieses Mal ist Frau Kinkel diesem Schicksal entkommen. Die Geschichte hat mir gefallen und selbst mit dem etwas lahmen, unbefriedigenden Ende konnte ich leben. Denn ihre Charaktere sind liebevoll gezeichnet und was ich sehr gut fand, sie sind nicht schwarz oder weiß, sondern alle nur Facetten von grau. Die Verbindungen zur eigentlichen „Unendlichen Geschichte“ sind gut gemacht. Es steckt Moral in dem was sie schreibt, aber es ist nicht Moralinsauer... es rutscht zum Ende hin sogar fast in eine Art von Lebensphilosophie. Leider hält die dichte Stimmung des Beginns nicht bis zum Ende durch, aber das ist so ziemlich das einzig schlechte was ich zu diesem Buch sagen kann.

Fazit:
Ein nettes Fantasybuch mit einigen Radschlägen durch Phantasien und Reminiszenzen zu anderen Fantasygeschichten und Weltkulturen. 

Ich vergebe  ✦✦✦✦✧ 



Wie und wann kam das Buch zu mir?
Wie schon erwähnt stammt es aus einer Mängelexemplarkiste bei Weltbild. Nach dem ersten Band war ich etwas hin- und hergeworfen, habe mich dann aber doch dazu entschlossen, gleich das nächste Buch der Reihe zu lesen.

Bücher führen zu Büchern?
Um nicht noch mehr auf der "Unendlichen Geschichte" herumzureiten, dieses Buch hat mich an ein anderes Buch das schon ewig auf meinem Sub schlummert denken lassen: "Die Haarteppichknüpfer" von Andreas Eschbach.

Habe ich etwas aus diesem Buch gelernt?
Der Weg ist das Ziel!

Montag, 27. Juni 2011

Kurt Tucholsky - Der Panter trifft auf Sherlock Holmes

Peter Panter - Besuch bei Peter Panter
(erstmals erschienen am 01.03.1927 im  Uhu)

1927 erschien der letzte offizielle Sammelband „The Casebook of Sherlock Holmes“, jenem Klassiker und Archetyp all der Kriminalermittler deren Genre in heutigen Buchhandlungen ganze Abteilungen füllen.

Tucholsky widmete ihm vielleicht aus diesem Grund die kleine Geschichte um den Besuch bei Peter Panter zu Hause, in der Sherlock Holmes auf der Suche nach einem anderen Beruf ist...
Allein deswegen sollte man diesen kleinen Text unbedingt lesen. Ich für meinen Teil fand ihn sehr amüsant und er brachte den guten Sherlock und seinen Genossen Watson wieder in mein Gedächtnis.

»Ein Mann ist draußen!« sagte die Haushälterin.
»Ich habe Ihnen nun schon so oft gesagt, Sie möchten nach dem Namen fragen oder um die Karte bitten!« sagte ich.
Truelsen schob ab und kam mit einem riesigen Teetablett wieder herein, darauf lag eine winzige kleine Karte. Sie hatte das wohl im Kino so gesehen . . . Ich las den Namen . . . »Aber bitte! Ich lasse bitten! Der Herr möchte hereinkommen!« – Es war Sherlock Holmes.[weiter]
Sherlock Holmes selbst ist über alle Zeiten hinweg eine Kultfigur geworden. Der exzentrische Brite mit der Pfeife und dem übertriebenen Blick fürs Detail ist ins kulturelle Gedächtnis eingegangen und wird dort auch noch lange verweilen. Schließlich ist er seine eigene CSI-Zweigstelle und Vater aller Ermittler mit großem Verstand und noch größerem, spinnertem Ego.

Krimis sind für mich ein eher unbekanntes Terrain, ich las als Kind die ??? und ein wenig von der vielleicht ebenso beliebten Miss Marple, aber ansonsten komme ich auf meiner Reise in die Literatur eher selten mit diesem Genre in Kontakt. Der einzige Grund warum ich zwischendurch schon mal in die Krimischublade greife ist der, wenn es auch noch ein anderes Thema an diesem Roman gibt, welches mich interessiert. So stolperte ich 2009 dann über die Krimis von Gyles Brandreth.

Dieser hat sich Oscar Wilde zu seinem Ermittler erkoren... und Oscar war dann auch der Grund für mich, das ich diese Bücher auf meinen SuB holte und den ersten Band auch mit viel Freude genoss.
Eine der etwas wichtigeren Nebenfiguren in diesen Krimis ist ein Zeitgenosse Wildes, Sir Athur Conan Doyle... und sein erster Sherlock Holmes Roman „A Study in Scarlett“ spielt bei Brandreth dann auch eine größere Rolle.

Also muss ich meine Nase jetzt auch mal in einen Sherlock Holmes stecken, dies hatte ich mir nämlich vorgenommen ehe ich die Lektüre der Brandreth-Reihe fortsetzen sollte, und da dort jetzt schon der 4. Teil erschienen ist, sollte ich damit endlich mal anfangen.

Für den Monat Juli steht der Doppelband „A Studie in Scarlett / The Sign of the Four“ auf der Leseliste. Ich bin schon gespannt einmal dem Original zu begegnen und nicht nur einer der vielen filmischen Adaptionen... gegen Krimis gucken habe ich nämlich weniger etwas als dagegen sie zu lesen... beim Lesen zeigt sich bei mir nämlich eine unangenehm große Ungeduld endlich dem Täter auf die Spur zu kommen.

Mich erwartet also, Spannung hin oder her, eine fingernägelknabbernde Lesezeit.